Viel Wind um Nichts? Keineswegs. Es geht um die Energieversorgung der Zukunft. Und der Klimawandel wartet nicht, Kipppunkte drohen, viel zu lange wurde viel zu wenig getan. Rasches Handeln ist also gefragt! Rasch, aber nicht kopflos und auch nicht, wie in Deutschland viel zu oft, interessengesteuert, sondern mit einem klugen, ausgewogenen Konzept.
Nach dem gestrigen Interview durch die LZ, das heute in Auszügen Teil einer ganzen Seite in der gesamten Ausgabe des Straubinger Tagblatts ist, erlaube ich mir, mein komplettes Statement wiederzugeben. Es spiegelt meine persönliche Auffassung wider. Es gibt in der ÖDP unterschiedliche Vorstellungen um Umfang des Ausbaus der Windkraft, und das ist auch gut so. Auch unsere MdEP Manuela Ripa hat einen interessanten Beitrag dazu geschrieben: https://www.oedp.de/aktuelles/pressemitteilungen/newsdetails/news/oedp-zu-windkraftplaenen-von-habeck-klima-und-arte der ein hohes Maß an Übereinstimmung mit meiner hier geäußerten Auffassung hat.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und von Speicherträgern ist eine der zentralen Aufgaben auf dem Weg in eine CO2-neutrale Zukunft, die wir zügig bewältigen müssen auch angesichts größer Versäumnisse und Stillstand in vielen Handlungsfeldern in der Vergangenheit. Gleichzeitig sind in Bayern auch durch die natürlichen Gegebenheiten (vergleich den Bayerischen Windatlas) anders als in den norddeutschen Küstenländern: dort mehr Wind, hier mehr Sonne. Die Solarenergie hat den entscheidenden Vorteil, praktisch keine Naturschutzproblematik mit sich zu bringen, während sowohl Wasser- als auch Windkraft, an der falschen Stelle eingesetzt, erhebliche Eingriffe in Bezug auf die Arten darstellen können. Zudem bringen Windränder in Siedlungsnähe Konfliktstoff mit sich, den man auch nicht versuchen sollte, wegzureden. Auch sind sowohl Wind- als auch Solarenergie Schwankungen unterworfen (man spricht energietechnisch von „Zappelstrom“, wenn weder die Sonne scheint noch Wind weht, von „Dunkelflaute“) und bedürfen daher für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ausreichender, schwankungsfreier, grundlastfähiger Energiequellen – hier können nachwachsende Rohstoffe (NaWaRo) wie beispielsweise Holz aus Kurzumtriebsplantagen (KUP) eine erheblich größere Rolle als bisher spielen – und Speicherkapazitäten. Diese auszubauen ist daher nicht weniger wichtig.
Also: zuerst die konfliktärmeren, potenzialkräftigeren und grundlastfähigen Erneuerbaren wie Solar bzw. NaWaRo in Bayern ausbauen, und berechnen, welchen zusätzlichen Ausbau der Windkraft wir dann noch brauchen. Einfach nur eine Vervielfachung oder bestimmte Flächenprozente oder das Lockern von Regelungen zu fordern, die die Natur und Landschaft und die Bürger schützen, halte ich für nicht hilfreich, nicht angemessen, für eine eindimensionale Lösung. Sie ist in Bayern auch fachlich falsch.
Ich habe das Gefühl, dass die Zuspitzung auf eine Abschaffung der 10H-Regelung auch ein bewusstes Spiegelfechten um diese bayerische Landesregelung ist, als Machtprobe mit der Landesregierung und auch als Ablenkgefecht von zu eindimensionalen Konzepten auf Bundesebene. Wohin eine Übersteigerung einseitiger, interessengesteuerter Maßnahmen führen kann, haben wir ja in der völlig aus dem Ruder gelaufenen Vermaisung der Landschaft im Zuge der überstarken Biogas-Förderung sehen können, die Deutschland in den letzten 20 Jahren überrollt hat. Übrigens auch mit viel zu wenig Regelung und Kontrolle dessen, was diese Bundes-Maßnahme an Folgen vor Ort mit sich bringt. Landauf-landab gab es katastrophale Biogastank-Havarien mit Fischsterben in den unterliegenden Bächen, weil die Anlagen teilweise eine viel zu einfache Bauart haben (einwandig, mit einfachen Kunststoffmechaniken usw.). Solche fast „rechtsfreien Räume für die Natur“ brauchen wir nicht noch einmal, mit dem Totschlagargument, ja etwas Gutes für das Klima zu tun. Diese Fehler der Vergangenheit, an der auch eine Grüne Regierung beteiligt war, dürfen nicht wiederholt werden. Man darf nicht unterschätzen, dass hinter der Windkraftenergie auch massive wirtschaftliche Interessen stehen, die über Lobbyismus auch in erheblichem Umfang Einfluss auf die Politik zu nehmen versuchen.
Sicher gäbe es beispielsweise in ausgeräumten Agrar-Hochebenen Bayerns auch mehr Potenziale für die Windkraft, in naturnäheren Gebieten sehe ich sie aus Naturschutz- und Landschaftsschutz als etwas an, das wir weiterhin gründlich genug prüfen müssen. Dort stehen jedenfalls in Nordrhein-Westfalen und Thüringen die Windräder, und nicht im Wald. Und mehr Potenziale gäbe es auch für wesentlich mehr Solarenergie – warum hat beispielsweise nicht längst jedes öffentliche Gebäude ein Solardach? Wo sind die Kalkulationen, die aufzeigen, wie viel Windkraft-Ausbau wir in Bayern denn zwingend brauchen?
Ich bin daher für ein übergeordnetes, solide erstelltes Konzept, dass in kluger Art und Weise die richtigen erneuerbaren Energien am richtigen Ort und dezentralen Speicherkapazitäten ausbaut, wo sie am meisten bringen für die Versorgung, Grundlast, Versorgungssicherheit, alle voran die konfliktärmeren Energieträger wie die Solarenergie. Eine Zuspitzung auf die Abschaffung von „10H“ und auf eine Lockerung aller die Windkraft betreffenden Regelungen ist eine viel zu wenig differenzierte Vorgehensweise und birgt erhebliches Konfliktpotenzial für Natur und Mensch.
Quellen:
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Flade, M. (2012): Von der Energiewende zum Biodiversitäts-Desaster – zur Lage des Vogelschutzes in Deutschland. – Vogelwelt 133: 149-158.
Richarz, K. (2017): Windenergie im Lebensraum Wald. Gefahr für die Artenvielfalt. Situation und Handlungsbedarf. – Hrsg. Deutsche Wildier-Stiftung, Hamburg, 81 S.
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